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Ein guter Start ins Leben durch eine vernetzte Versorgung
Mehr als jede zehnte Frau erkrankt während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung an einer Depression. Doch allzuoft bleibt diese Erkrankung un- entdeckt. Das Klinikum Nürnberg will genau das mit einem flächendeckenden Screening ändern – und bekommt jetzt große Unterstützung für die For- schung. Ein Gemeinschaftsprojekt der Klinik für Psychiatrie und Psychothera- pie sowie der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche wird nun vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,6 Millionen Euro gefördert. Im Mittelpunkt bei dem sogenannten „UplusE“-Pro- jekt steht die Verbesserung der psychischen Gesundheit von Familien und in- besondere Frauen in Schwangerschaft und früher Mutterschaft.
Uplus E – die Abkürzung steht für U-Untersuchung für Kinder PLUS Eltern beim Pädiater zur Förderung kindlicher Entwicklung mit Impuls aus frauenärztlicher Schwangerenvorsorge. „Mit diesem Projekt möchten wir dauerhaft sicherstel- len, dass Depressionen bei Frauen früh erkannt und behandelt werden“, er- klärt Dr. Susanne Simen, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psycho- therapie und Leiterin der Mutter-Kind-Tagesklinik des Klinikums Nürnberg.
Pilotprojekt von 2017 wird jetzt in weiterentwickelter Form gefördert
Das 2017 von der Nürnberger Arbeitsgruppe „Screening peripartaler Depressi- onen“ unter ihrer Leitung initiierte Pilotprojekt wird nun in weiterentwickelter Form vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,6 Millionen Euro gefördert. Die Projektleitung des deutschlandweiten Projekts liegt bei Dr. Simen und Prof. Dr. Christoph Fusch, dem Ärztlichen Lei- ter der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche.
In dem Nürnberger Pilotprojekt hatten sich alle Geburtskliniken der Stadt, die Frauenarztpraxis von Dr. Yilmaz-Terzioglu, Dr. Torsten Schröder aus dem MVZ Pränatal (Leitung Dr. Michael Schälike) und die Kinder- und Jugendarztpraxis von Dr. Ronny Jung und Kolleg*innen aus Roth engagiert. Sie alle screenen für Depressionen rund um die Geburt und motivieren die Betroffenen dazu, sich an das Hilfe- und Behandlernetzwerk zu wenden, etwa an die psychiatrische Mutter-Kind-Ambulanz im Klinikum Nürnberg, an das Zentrum Koberger Straße oder an Profamilia. „Wir konnten in Nürnberg zeigen, dass unsere Idee funktioniert. Mit Hilfe der Förderung kann dieses Vorgehen in weiterentwi- ckelter Form jetzt flächendeckend deutschlandweit etabliert werden“, freut sich Dr. Simen.
Berufsübergreifendes Screening als Teil der U-Untersuchungen
Der Bedarf liegt auf der Hand. „Zehn bis 15 Prozent der Frauen erkranken wäh- rend oder nach einer Schwangerschaft an einer Depression. Das geschieht häufig im ersten Lebensjahr des Kindes, kann aber auch im zweiten noch passieren“, er- klärt Dr. Simen. „Viele Frauen verschweigen die Erkrankung – etwa aus Angst oder Scham. Zudem wird sich eine Mutter, die ein kleines Kind versorgt, nicht aus eige- nem Antrieb um einen Therapieplatz kümmern.“ Die Gefahr, dass die Depression chronisch wird, sei folglich sehr groß.
Hier setzt das Projekt UplusE an. Ziel ist es, ein berufsübergreifendes Screening- Programm als festen und von den Krankenkassen finanzierten Bestandteil in die sogenannten U-Untersuchungen und die Vorsorgeuntersuchungen in der Schwan- gerschaft zu installieren. Schwerpunkt sind dabei die Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes.„Die Frauen suchen mit ihren Kindern zu den Vorsorgeuntersuchungen die Praxen auf. Hier können wir mit ihnen ins Gespräch kommen und im Falle ei- ner möglichen Depression frühzeitig helfen – das erhöht den Behandlungserfolg.“ Dabei soll das Screening bereits während der Schwangerschaft starten und dann regelmäßig bis ein Jahr nach der Geburt fortgeführt werden. „Seit 2017 haben wir in Nürnberg ein Screening-Netzwerk etabliert. Seit 2020 arbeiten wir daran, in ganz Deutschland ein berufsübergreifendes Netzwerk zusammen mit der Betriebs- krankenkasse Landesverband Bayern, der Vertragsarbeitsgemeinschaft VAG, den Berufsverbänden sowie den Universitäten Würzburg, Greifswald und der TU Mün- chen zu etablieren“, so Dr. Simen weiter. Integriert werden Frauen- und Kinder- ärzt*innen sowie Psychiater*innen, Psychosomatiker*innen und Therapeut*innen - aber auch Frühe Hilfen, Schwangeren- und Erziehungsberatungen. Hausärzt*in- nen und Hebammen sind beratend dabei. „Je mehr Fachleute sich beteiligen, desto besser ist das für die betroffenen Frauen in Deutschland. Wir brauchen ein flächendeckendes Screening und eine nachfolgende Behandlung für eine best- mögliche Versorgung“, so Dr. Simen weiter.
Standardisierter Fragebogen bei den Routineuntersuchungen
Konkret setzt das UplusE-Team einen standardisierten, einfachen Fragebogen na- mens „Edinburgh Postnatal Depression Scale“ ein. Entwickelt vor rund 30 Jahren von dem englischen Psychiater Prof. John Cox, hat sich dieses Screening weltweit bewährt. Damit werden die Frauen nach ihrem Befinden und möglichen Sympto- men der Depression und Ängste befragt. Oft zeigen sich dabei Überraschungen. „Wir sehen Frauen, die antworten, es gehe ihnen gut – auch wenn anhand ihrer Antworten wenig dafür spricht“, berichtet Dr. Ronny Jung aus der Praxis. Dr. Jung ist Kinder- und Jugendarzt in Roth und beteiligt sich schon seit über zwei Jahren aktiv an dem Pilotprojekt. „Das Screening sowie die anschließenden Auswertun- gen und Gespräche sind gut in den Praxisablauf zu integrieren. Leider werden diese Leistungen nicht vergütet. Dabei sollte das Screening genauso zur Routine- untersuchung gehören wie ein Test auf Schwangerschaftsdiabetes.“ Übrigens wer- den auch die Väter in das Screening einbezogen.
Vernetzte Versorgung und Unterstützung per App
Das Projekt UplusE wird in der Kategorie „Neue Versorgungsformen“ unter dem Motto „Ein guter Start ins Leben durch eine vernetzte Versorgung“ geför- dert. Zentraler Baustein ist dabei eine digitale Vernetzung. Vorgesehen ist, dass die bereits etablierten Praxis-Apps „Meine GynPraxis“ , „Mein Kinder- und Jugendarzt“ und „Mein Psychiater“ eingebunden werden. Die Eltern erhal- ten vor den Arztterminen via App ausgewählte Fragen. Ihre Antworten werden datenschutzkonform verschlüsselt und elektronisch an den Arzt oder die Ärztin übertragen. So können bedarfsgerecht Hilfsangebote für die Betroffenen initi- iert werden. „Dank der Förderung des Projektes werden wir in den kommen- den zwei Jahren das Netzwerk auf bundesweite Füße stellen und wissenschaft- lich nachweisen, dass ein flächendeckendes Screening medizinisch sinnvoll, nötig und machbar ist - und unabdingbar in den Leistungskatalog der gesetzli- chen Krankenkassen gehört“, fasst Dr. Simen zusammen.
Das Klinikum Nürnberg ist eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Deutschland und bietet das gesamte Leistungsspektrum der Maximalversorgung an. Mit 2.233 Betten an zwei Standorten (Klinikum Nord und Klinikum Süd) und 8.400 Beschäftigten versorgt es knapp 100.000 stationäre und 170.000 am- bulante Patienten im Jahr. Zum Klinikverbund gehören zwei weitere Krankenhäuser im Landkreis Nürn- berger Land.
Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Nürnberg wurde 2014 gegründet und ist zweiter Standort der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. In Nürnberg werden jährlich 50 Me- dizinstudierende ausgebildet. Das Curriculum orientiert sich eng an der Ausbildung der amerikanischen Mayo-Medical School. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität kooperiert zudem mit weiteren wis- senschaftlichen Einrichtungen im In- und Ausland.
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