Mehr als 100 Jahre nach ihrer Ausrottung durch den Menschen in Deutschland wurden im Juni 2021 erstmals zwei junge Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert. Für ihre Auswilderung lernten sich die beiden spanischen Jungvögel in der Quarantänestation des Tiergartens auf Gut Mittelbüg am sogenannten Schmusegitter kennen.
Warum im Tiergarten Nürnberg? Der stellvertretende Zoodirektor Jörg Beckmann erläutert: „Der Nürnberger Tiergarten hält mit kurzen Unterbrechungen bereits seit 1965 Bartgeier, wobei es im Jahr 1997 zur ersten erfolgreichen Aufzucht eines Jungtieres kam. Seitdem unterstützt der Tiergarten regelmäßig Auswilderungsprojekte in Spanien und Frankreich mit Nachzuchten.“ Dank der Expertise im Nürnberger Tiergarten und der Unterstützung durch Fachleute von der Vulture Conservation Foundation (VCF) konnten die bereits beringten jungen Bartgeier prima auf ihr neues Zuhause vorbereitet werden. Um die Vögel später in der Luft durch bestimmte Muster eindeutig erkennen zu können, markierten die Fachleute einzelne Federn mit einem Bleichmittel markiert. Auch auf Nachweis-Fotos bei ihren zukünftigen Erkundungsflügen durch die Alpen können die Vögel so erkannt werden. Zudem wurde den Vögeln zur Probe ein GPS-Sender angelegt, um den optimalen Sitz individuell an die Vögel anzupassen. Mit diesem Sender auf dem Rücken informieren die Bartgeier später die Forscher über ihren Standort, ihre Flugrouten, und sogar Körperneigung und -temperatur werden erfasst. So senden sie oft tausende Daten täglich an die Beobachtungsstation.
Das für diesen Sommer bereits lang geplante, gemeinschaftliche Auswilderungsprojekt für Bartgeier in Bayern vom Tiergarten Nürnberg, dem LBV (Landesbund für Vogelschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden ging mit den Vorbereitungen auf Gut Mittelbüg in die letzte Runde. Am 10. Juni 2021 schließlich brachten Tiergartenmitarbeitende die beiden Junggeier aus dem Centro de Cría de Quebrantahuesos "Guadalentín" in Cazorla (Spanien) nach Oberbayern. Dort erhielten sie ganz offiziell ihre Namen – Bavaria und Wally. Dann wurden sie von Bergsteigern in speziell angefertigten Holzkisten und auf Transportkraxen zu Fuß hoch hinauf ins Gebirge zu ihrer Auswilderungsnische getragen. Von dort werden sie sich in einigen Wochen in die Lüfte schwingen.
Wissenswertes
Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP der Zoos junge Bartgeier ausgewildert.
Webcam: Blick in die Auswilderungsnische
www.lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/bartgeier/bartgeier-webcam/
Corona: Besondere Zeiten für den Tiergarten Nürnberg
Text: Nicola A. Mögel